Technomagie

Technomagie

Arthur C. Clarke schrieb einmal: »Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.« Meist wird der gute Clarke von Science-Fiction-Autoren zitiert, die versuchen, Überlichtgeschwindigkeits-Antriebe, Teleportation oder sonstige physikalische Unmöglichkeiten überzeugend wirken zu lassen. Obwohl das Zitat Bilder von ferner Zukunft auslöst, denke ich, dass man sich nur umschauen muss, um zu erkennen, dass in Clarkes Aussage etwas Wahres steckt. Welche Implikationen hat diese Aussage also und wie können wir mit ihnen umgehen?

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Magie: In der Welt der Zauberei gibt es zwei Arten von Tricks. Das sind zum einen Tricks, die, sobald man weiß, wie sie funktionieren, jeglichen Reiz verlieren. Zum anderen sind es Kunststücke, die einen, selbst wenn man ihr Geheimnis kennt, weiter beeindrucken. Im Kontext von (digitaler) Technologie erlebe ich eine ähnliche Zweiteilung.

Ein Beispiel: Auf einem Computer einen neuen Ordner über das Terminal zu erstellen, scheint für viele auf den ersten Blick nur etwas für Hacker zu sein. Sobald man aber weiß, dass man in die Eingabe bloß mkdir für “make directory” zu tippen braucht, wird man nicht mehr auf die Idee kommen, dass das Terminal nur Computerexperten vorbehalten ist. Der Trick ist erklärt und damit langweilig und trivial.

mkdir im Terminal

Ein anderes Kunststück ist dieser Text. Es ist nämlich eigentlich unvorstellbar, dass diese Zeilen über das Internet aus jedem erdenklichen Winkel der Erde erreichbar sind. Selbst wenn man sich mit Internet Protokollen und Computernetzen auseinandersetzt, kommt man nicht umhin, über den kollektiven Kraftakt, der das Internet ermöglicht, zu staunen. Dabei liegt die “Magie” hier nicht in den fundamentalen Konzepten des Internets. Es braucht kein Genie, diese grundlegenden Zusammenhänge zu verstehen. “Magisch” ist die Komplexität, die sich aus der Interaktion von hunderten von Systemen ergibt.

Das ist meiner Meinung nach der entscheidender Punkt: Man kann das Konzept einer Technologie verstehen, ohne, dass gleichzeitig auch das tatsächliche Zusammenspiel von verschiedenen Komponenten trivial wird. Dieser Gedanke scheint mir nicht, in der Öffentlichkeit angekommen zu sein. In der Wahrnehmung vieler ist es immer noch so, dass man, um überhaupt irgendetwas von Technologie zu verstehen, mindestens einen Doktortitel braucht, oder ein Nerd sein muss oder noch besser beides zur gleichen Zeit. Das ist eindeutig falsch. Es ist nicht nur falsch, es trägt auch noch zur weiteren Mystifizierung bei.

Und Mystifizierung ist ein Problem. Denn indem man Technik als etwas Magisches, Unverständliches markiert, schiebt man sie aus einem konstruktiven, öffentlichen Diskurs. Gerade bei digitaler Technologie, die unser Leben in den Grundzügen bestimmt, ist das problematisch.

Zusätzlich habe ich das Gefühl, dass einige eigentlich verständlichen Grundideen fast absichtlich mystifiziert werden. Beste Beispiele sind dafür KI und Bitcoin. Obwohl diese einen sicheren Platz in der Öffentlichkeit haben, wissen doch wohl die wenigsten, was eine Blockchain ist, oder wie ein neuronales Netz funktioniert. Das liegt nicht daran, dass diese Konzepte unendlich schwer zu verstehen sind. Aber anstatt, dass man sie erklärt, werden technische Terminologien zu Marketingzwecken missbraucht. Es werden Zahnbürsten mit “Künstlicher Intelligenz” verkauft oder die Bundesregierung kündigt einen digitalen Impfpass an, der auf fünf Blockchains basieren soll. Die Technologie ist mit einem Mal nicht mehr Werkzeug, sondern Selbstzweck. Wie oder ob eine bestimmte Technologie ein gesetztes Ziel erreichen kann, ist dann oft zweitrangig. Auf eine konstruktive öffentliche Debatten über diese Technologie, gibt es dann oft fast gar keine Chance mehr. Vor allem deshalb, weil den Beteiligten offensichtlich nicht immer klar ist, was überhaupt die Grundlage der Debatte ist. Oder es gibt erst gar keine Beteiligten, weil sie das Gefühl haben einen Doktor in Informatik zu brauchen, um mitreden zu können.

Ganz nebenbei ist das auch noch schlecht für die technologische Entwicklung selber. Wirklich vernünftige Anwendungen, die nicht mit einem Buzzword punkten können, haben es nämlich schwerer sich durchzusetzen. Also gibt es noch mehr blödsinnige Ideen und der Hype bläst sich weiter auf.

Um dem entgegenzuwirken, muss man mit den oben genannten Zauberkunststücken umzugehen wissen. Taschenspielertricks, die echte Komplexität vortäuschen, sind im Kleinen leicht zu enttarnen, wenn man statt ehrfürchtig zu nicken ein paar kritische Fragen stellt. Im Großen brauchen wir allerdings ein öffentliches Bewusstsein, dafür was hinter bestimmten Begriffen steht.

Auf der anderen Seite gibt es Technologie, die in ihrer Anwendung tatsächlich ziemlich komplex ist. Hier muss allerdings klar sein, dass aus einer komplexen Realisierung eines Konzeptes nicht notwendigerweise hohe Komplexität des Konzeptes selber folgt. Oft reicht Basiswissen aus, um Themen ihre Magie zu nehmen. Auch hier muss man versuchen, wo immer es möglich ist, zu vermitteln und zu erklären.

Also, als kleiner Aufruf: Nimm dir ein Thema und versuche es für jemand anderen zu entzaubern. Vielleicht schaffen wir ja ein wenig Entmystifizierung des Digitalen. Davon profitiert dann hoffentlich auch die Digitalisierung. Vertrauen in Neues entwickelt man schließlich nicht, weil es magischerweise einfach besser ist, sondern weil man versteht, was abgeht.

Ist ein Blick wert!

Wirklich. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Satzfetzen

Irgendwann findet man sie auf der ersten Seite eines gewichtigen Buches. Bis dahin findet man sie hier.

Ein GIF für alle Fälle

Wer kennt es nicht: Ganz plötzlich braucht man ein GIF, hat aber gerade keins zur Stelle.

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